02.03.2016
Der Katholik Christof Munzlinger hat als Bundeswehroffizier die ganze Welt gesehen
Der General an der Orgel
Ein Bundeswehr-General, der Bach mehr liebt als Marschmusik, sonntags Orgel spielt, im Kirchenchor singt und in Kürze zu Fuß auf dem Jakobsweg pilgert – das ist schon reichlich ungewöhnlich. Brigadegeneral Christof Munzlinger geht jetzt in den Ruhestand.
Brigadegeneral Christof Munzlinger an der Tölle-Orgel in Sternberg. Foto: Benjamin Jörss
„Es ist genug.“ Das sagt nicht der General. So heißt die Bach-Kantate, die zu seiner Verabschiedung gespielt wird. Mit 62 Jahren – so ist es bei der Bundeswehr die Regel – geht Christof Munzlinger am 10. März in den Ruhestand. In der ganzen Welt ist er herumgekommen. Dass er einmal in Mecklenburg landen würden, konnte er am Beginn seiner Karriere nicht wissen. Seine Eltern und älteren Brüder sind 1945 zu Fuß aus Brandenburg in ihre alte Heimat Hunsrück gewandert. „Wenn meine Eltern zu Weihnachten Brot, Salz, Wasser und eine brennende Kerze ins Fenster gestellt hatten für unsere Schwestern und Brüder in der damals sogenannten DDR, dann war die Vorstellung, all diese Orte selbst einmal zu sehen, als Bundeswehrsoldat sowieso, völlig abwegig“, erzählt Munzlinger. Aber dann kam das „Wunder“ der Wiedervereinigung. Der Offizier, seinerzeit bei der NATO in Belgien stationiert, wurde nach Mecklenburg versetzt. Sein neuer Wohnort hieß Dabel, ein Dorf zwischen Parchim und Güstrow, mit großen Truppenübungsplätzen.
Christof Munzlinger wollte kein Fremder bleiben. Er sang im evangelischen Kirchenchor mit, spielte die Orgel in der Dorfkirche, lernte Nachbarn kennen und – das war eher Fügung als Absicht – seine Frau kennen, die aus einer meck-lenburgischen Pastorenfamilie stammt. „Die Annäherung an meine Soldaten, Nachbarn und die theologische Verwandtschaft meiner Frau hatte auch etwas Wunderbares. Das Mitsingen im Dabeler evangelischen Kirchenchor und gelegentliches Orgelspielen im Gottesdienst in Dabel und später in Sternberg hat mich rasch integriert.“
Der Katholik wurde zum Mann der Ökumene. „Für mich als Christ ist das gemeinsame Christsein von Katholiken und Protestanten, zumal im Osten, alternativlos“, sagt Munzlinger. „Ökumene in Sternberg ist wunderbar selbstverständlich; dazu kommen gute Kontakte zur jüdischen Gemeinde.“
Für den leidenschaftlichen Pianisten und Organisten stand das Tor zur Ökumene ohnehin weit offen. Wohin der Offizier auch kam, überall fand er eine Kirche und setzte sich an die Orgel. Er spielte die größte Kirchenorgel der Welt; sie steht in der Kapelle der Militärakademie West Point bei New York. Er spielte die Orgel der Dormitio-Abtei in Jerusalem – das Werk eines Orgelbauers aus dem Hunsrück. Er spielte die Orgel der Dresdner Frauenkirche: „Als Bundeswehrgeneral in Uniform anläßlich einer Kommandaturtagung in Dresden in der aus Ruinen auferstandenen Frauenkirche spielen zu dürfen, da habe ich mich meiner Tränen nicht geschämt.“
Christof Munzlinger weiß, dass er in einer besonderen Zeit Soldat war. Seine Laufbahn und sein bisheriges Leben fällt in die längste Friedensperiode, die Deutschland je erlebt hat. Und er weiß aus der Erfahrung Afghanistan, welches Geschenk das Leben im Frieden ist.
Was passiert nach der Pensionierung? Erst einmal hat sich Christof Munzlinger einen weiten Weg vorgenommen. Er will den Jakobsweg gehen, „um mich zu entschleunigen“. Seinen alten Arbeitsplatz wird er erst einmal nicht wiedersehen. Eine bewährte Regel ist, dass ein ausscheidender Chef sich 100 Tage lang nicht blicken lässt, „für Kommandeure ist es eher eine 365-Tage-Regel – damit man seinem Nachfolger nicht durch Besserwisserei das Leben schwer macht.“ Allenfalls von fern, aus der Luft wird der General seine Truppen sehen. Er ist begeisterter Privatflieger. Und es gibt noch viele Orgeln, die er noch nicht gespielt hat.