26.04.2023
Noch einmal davongekommen
Nutztierhalter können nicht alle Tiere aufziehen und geben junge Ziegen und Schafe manchmal ab. Wenn die Tiere Glück haben, können sie auf einem Hof nahe Preetz aufwachsen. Ein Besuch bei Osterlämmern und -zicklein.
VON MARCO HEINEN
Als Astrid Faehling die eingezäunte große Wiese betritt, wird sie schon erwartet. In einem kleinen Gatter geben zwei kleine Ziegen Laut und zwei Schafe melden sich ebenfalls mit forderndem Mäh zu Wort. Sie wissen, gleich bekommen sie die Flasche mit Aufzuchtmilch und offenbar schieben die vier schon mächtig Kohldampf. Aber sie haben noch Energie, denn kaum ist das Gatter offen, stürmen sie erst einmal rauf auf die Wiese.
Die beiden Zicklein Jonna und Mika springen und toben, dass es eine Freude ist. Schaf Toffy, mit einer Woche Lebensalter die Jüngste im Bunde, rennt zwar auch tapfer herum, ist aber noch wackelig auf den Beinen und wird schon mal über den Haufen gerannt. Fee ist das schwarze Schaf der Patchwork-Familie und eher zurückhaltend. Die beiden Ziegen stammen von einem Ziegenhof in der Nähe. Damit die Ziegen Milch geben, müssen sie einmal jährlich schwanger werden. Deshalb werden die Jungtiere sofort nach der Geburt von den Zicken getrennt. Da die Bauern jedoch nicht die Zeit haben, die Jungtiere mit der Flasche oder einem Tränkeeimer aufzuziehen, werden sie gerne in gute Hände abgegeben.
Bei den Schafen ist es etwas anders. Toffy und Fee stammen aus Drillingswürfen und waren eigentlich dem Tode geweiht. Denn Schafe verstoßen meist das schwächste Tier, weil sie nur zwei Zitzen haben. So werden nun beide Ziegen und beide Schafe mit der Flasche aufgezogen.
Wie Astrid Faehling erläutert, werden Osterlämmer, die zum Osterfest gegessen werden, schon im Januar geboren. Der Bauer, von dem sie Toffy hat, will aber nicht mehr, dass seine Tiere so jung sterben. Sie kommen deshalb als echte Osterlämmer rund um Ostern zur Welt und haben dann noch länger Zeit, die Welt kennenzulernen, bevor sie nach acht bis zwölf Monaten geschlachtet werden oder als Mutterschafe oder Zuchtbock weiterleben. So lange darf das Fleisch als Lammfleisch vermarktet werden. Toffy und Fee wird das erspart bleiben.
Astrid Faehling ist evangelische Theologin und hat eine Ausbildung als Fachkraft für tiergestützte Intervention sowie als Sozialtherapeutin. Im Hauptberuf arbeitet sie beim evangelischen Kirchenkreis Ostholstein. Ihren Lohmühlenhof am Rande von Preetz betreibt sie nebenher als Lern- und Therapiehof, auf dem ab und zu Kindergeburtstage gefeiert werden oder Kitakinder vorbeischauen, um die tierischen Bewohner kennenzulernen. Gelegentlich sind auch Menschen mit Behinderung da, so wie die zwei jungen Leute mit einer autistischen Störung, die neulich auf Besuch waren und Schafe ganz toll finden. Gerne ist die Theologin mit Jungtieren auch mal in Senioreneinrichtungen bei Menschen mit Demenz. „Das ist eine richtig tolle Arbeit. Wenn Menschen, die sonst nicht mehr so klar sind, plötzlich davon erzählen, dass sie früher auch Schafe im Garten gehalten haben.“
Die Tiere auf dem Hof sind Stars für Kinder
Neben den vier Jungtieren leben zwei Zwergesel, zwei erwachsene Ziegen sowie neun Schafe unterschiedlicher Rassen auf dem 1,7 Hektar großen Gelände. Nicht zu vergessen zwei Hunde, zwei Katzen und die Schar Hühner, die mal auf einem Bio-Hühnerhof ihren Dienst taten, bevor ihre Produktivität nachließ und ihnen die Schlachtung drohte. Sie legen immer noch Eier, allerdings eben nicht mehr täglich. Und statt des Kochtopfs müssen sie nun höchstens noch Fuchs, Marder oder Habicht fürchten.
„Ich finde es einfach toll, mit den Tieren zusammenzuleben, ihnen guten Morgen und gute Nacht zu sagen und zu gucken, ob es ihnen gut geht“, sagt Astrid Faehling. Sie schätzt es, „zu merken, dass die Tiere eine Beziehung zu uns Menschen haben“ und will anderen Menschen zeigen, wie schön es ist, sich mit ihnen zu beschäftigen und was sich von ihnen für eigene Beziehungen lernen lässt. Das alles sei eben mehr, als die Tiere nur als künftige Lammkeule anzusehen.
Ein Gnadenhof sei der Lohmühlenhof definitiv nicht, doch für Astrid Faehling ist klar, dass ihre Tiere bleiben können, bis sie sterben. 2018 kaufte sie den kleinen Hof. „Das habe ich mir als Kind schon gewünscht, einen Hof zu kaufen und Tiere zu halten“, erzählt sie. Leider hat es nicht geklappt, als ihre drei Kinder noch klein waren. Die sind nun erwachsen. Ein Sohn lebt mit im Haus und hilft bei der Versorgung der Tiere. Doch die anderen kommen auch gern. Sohn Lars (24) lebt in Lübeck und ist gerade zu Besuch. Er kommt nicht nur wegen seiner Mutter, sondern auch wegen der Tiere: „Es ist eine schöne Abwechslung von der Stadt und mit den ganzen Tieren, die ja zum Großteil zahm sind, ist das immer eine schöne Auszeit.“
Seit drei Jahren zieht Faehling Jungtiere auf. „Die Ziegen behalte ich sicher und mit denen werde ich dann Spaziergänge anbieten, vielleicht lernen sie auch einen kleinen Karren mit Kindern zu ziehen“, sagt sie. Die Schafe wiederum gibt sie vielleicht als künftige Muttertiere an den Bauern zurück oder bringt sie anderweitig unter. Gern würde sie immer alle Tiere behalten, aber das geht natürlich nicht. Wobei die Aussichten für das tierische Quartett bleiben zu dürfen, diesmal gut stehen. Faehling: „Es hat für mich schon etwas mit dem Erhalt von Schöpfung zu tun und auch mit dem Genießen von Schöpfung. Das sind Geschöpfe Gottes, genau wie wir Menschen“, sagt sie. Und ergänzt: „Es hat auch mit Bewunderung dafür zu tun, wie toll das ist.“